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Dienstag, 24. Mai 2011

Der Einfluss des Sports auf die tägliche Energiebilanz

Ich möchte an Hand von vier Beispielen die Bedeutung körperlicher Aktivität für den täglichen Energieumsatz in das richtige Licht setzen. Dafür werde ich unterschiedliche Athleten mit einem Otto-Normal-Bürger vergleichen.

Zunächst soll mir Michael Phelps als Beispiel dienen, da dieser die verblüffensten Zahlen liefert. Laut eigener Angaben ist dieser 193cm groß, 91Kg schwer und 25Jahre alt. Nach der einfachsten und dennoch überraschend zutreffenden Methode den "Grundumsatz" zu berechnen (24 x Kg Körpergewicht) entspricht das in Ruhe einem Tagesbedarf von knapp 2200 Kcal. Da ein komplett sedativer Tagesablauf allerdings niemals der Fall ist, fehlt zur korrekten Bestimmung des eigentlichen Tagesbedarfes noch der "Leistungsumsatz". Dieser umschreibt sämtliche im Vergleich zum Ruhezustand zusätzlich benötigte Energie. Werfen wir einen kurzen Blick auf den Trainingsumfang von Michael:

Laut seiner Homepage schwimmt er pro Woche etwa 80Km und verbringt dadurch durchschnittlich ungefähr fünf Stunden pro Tag im Wasser um auf jeweils 11Km täglich zu kommen. Glaubt man seinen eigenen Angaben über die tägliche Ernährung, sorgt dieser Trainingsumfang für einen zusätzlichen Energiebedarf von 10.000 Kcal täglich und damit einem Tagesbedarf von 12.000 Kcal!

Kein Wunder also das er mit einem einstelligen Körperfettanteil durch die Gegend läuft, während man ihn in verschiedenen Commercials wie einen Essgestörten Hamburger, Sandwiches, Pommes Frites und Pancakes essen sieht. Wer wäre bereit sich dafür täglich 5h im Schwimmbecken zu schinden?
Alles in allem glaube ich zwar, dass Phelps einen ungewöhnlich hohen Energiebedarf hat und diesen sicherlich auch zu einem gewissen Anteil mit Junk-Food decken wird, die Zahlen erscheinen mir dennoch zu hoch.

Lasst uns deswegen einen etwas genaueren Blick auf eine validere Quelle werfen:

Saris et al. (1989) haben den Energiebedarf und die Nahrungsaufnahme von Radrennsportlern während der Tour de France beobachtet. Die damalige Tour war 4000Km lang und auf 22 Etappen verteilt, was einer durchschnittlichen Etappenlänge von 180Km entspricht. Veranschlagt man die übliche Durchschnittsgeschwindigkeit am Ende der Tour, sind das viereinhalb Stunden Radrennen pro Tag für die Teilnehmer (Ruhetage exklusive).
Die Untersuchungen ergaben Durchschnittswerte von 6000Kcal pro Tag und Maximalwerte von 7800Kcal bei schweren Bergetappen. Selbst in Anbetracht des höheren Körpergewichts von Phelps, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er mit seinem täglichen Training die Zahlen eines über 200Km langen und 6 stündigen Radrennens über 4000 und mehr Höhenmeter um 4000Kcal übertrifft. Dennoch: In der Nähe eines solchen Bereiches dürfte auch er liegen.

Nachdem wir uns mit den Freaks beschäftigt haben, soll nun aber auch noch ein realistisches, alltägliches Beispiel die "Einordnung der Bedeutung des Sports für die Energiebilanz" für euch erleichtern:

Der durchschnittliche deutsche Mann ist etwa 178cm groß, die durchschnittliche Frau 168cm. Ihr Body-Mass-Index liegt bei 26,3 respektive 24,9 (Mikrozensus 2009). Das bedeutet für den Mann etwa 83Kg auf der Waage und für die Frau 70Kg. Nehmen wir erneut die unkomplizierteste Formel zur Berechnung des Grundumsatzes zur Grundlage, heißt das:

Der durchschnittliche deutsche Mann hat im Ruhezustand einen Tagesbedarf von 2000Kcal.
Die durchschnittliche deutsche Frau hat im Ruhezustand einen Tagesbedarf von etwa 1700Kcal.

Jetzt stellt sich die Frage, wieviel Sport meistens pro Tag von uns betrieben wird. Da dies sehr stark variiert, will ich es mit einer kleinen Formel illustrieren:

Man sagt: 1Km Distanz benötigt (unabhängig von der Geschwindigkeit) ungefähr 1Kcal pro 1Kg Körpergewicht um zurückgelegt zu werden.

Das heißt: Joggt unser Max Mustermann eine halbe Stunde bei einer moderaten Geschwindigkeit von 8Km/h (5Km/h entspräche "Gehen"), legt er 4Km zurück. Während er diese 4Km zurücklegt, bringt das einen Energieaufwand von 332Kcal (4Km*1Kcal*83Kg) mit sich. Erika (ja, das ist der offizielle "Mustername" für Frauen in Deutschland - fragt mich nicht warum) würde bei gleichem Tempo 280Kcal verbrennen.

2300Kcal bzw. 2000Kcal täglicher Energieumsatz inklusive Sports, nicht gerade spektakulär nach den  Zahlen die wir eben gehört haben.

Aber es gibt noch weitere Dinge zu beachten: Nicht alleine der Sport bestimmt den Leistungsumsatz. Im Falle von Leistungssportlern natürlich schon, da sie einen Großteil des Tagesablaufs mit ihrem Training oder Wettkämpfen verbringen. Aber jeder, der morgens aus dem Bett aufsteht und sich nicht nur bis zum Sofa schleppt, hat einen höheren Energieumsatz als den alleinigen Grundumsatz. Jede Form von Bewegung und körperlicher Tätigkeit (nein, die geistige Tätigkeit alleine wirkt leider nicht signifikant auf den Energieumsatz) sorgt für einen erhöhten Energiebedarf.

Was allerdings offensichtlich werden sollte ist: Der Tagesbedarf ist in entscheidend davon abhängig, wie lange und wie intensiv wir uns in Bewegung befinden. Ein gemütlicher Büroalltag, so strapaziös er nervlich auch gewesen sein mag, in Kombination mit einer kleinen Runde Jogging um den Block rechtfertigt leider noch keine Monsterportionen Hamburger, Pancakes, Eiscreme und Sandwiches (s. Michael Phelps) zur Belohnung. Auch wenn er subjektiv erschöpfend gewesen sein mag und wir diese geistige Erschöpfung als Anlass interpretieren könnten, ihr mit erhöhter Energiezufuhr zu begegnen: Er trägt dennoch kaum zu einem verstärkten physiologischen Energiebedarf bei.

Wenn das Ziel also lautet sein Gewicht zu halten, muss man sich mit der Nahrungs- und Kalorienzufuhr am tatsächlichen Bedarf orientieren, welcher sich proportional zum Aktivitätslevel verhält.

Ohne schwimmen auch keine Eiscreme... ;)


Quellen:

1. http://www.michaelphelpsbiography.net/rumors/michael-phelps-diet-and-workout-routines

2. Saris, W. H. M., Erp Baart, M. A., Brouns, F., Westerterp, K.P. Ten Hoor, F. Study on food intake and energy expenditure during extreme sustained exercise: The Tour de France. Int. J. Sports Med. 10 (1989), Suppl. S25-S31

3. Statistisches Bundesamt Deutschland: Mikrozensus (2009).

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