Labels

Montag, 23. Mai 2011

Appetitmanagement leicht gemacht

Jeder der schon einmal versucht hat eine Diät durchzustehen weiß, welche große Rolle dabei der Hunger spielt. Denn wie jeder weiß, ist eine Diät ohne zu hungern realistisch betrachtet nicht möglich. Halt! Oder etwa doch?

Werfen wir nochmal einen kurzen Blick darauf, was für den Erfolg einer Diät maßgeblich ist: Eine negative Kalorienbilanz, sprich dem Körper weniger Kalorien zur Verfügung zu stellen als er zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts benötigt und ihn dadurch an seine "Reserven" zu zwingen (siehe auch diesen Post von mir dazu).

Daneben gibt es jedoch davon zum Teil unabhängige Faktoren, die unseren "Appetit" grundsätzlich regulieren:

-Der allseits bekannte "Blutzuckerspiegel"
-Das "Völlegefühl" des Magen-Darm-Traktes
-Das Hormonmileu des Körpers

Außerdem gibt es noch viele weitere Dinge die unseren Appetit beeinflussen, wie den Bedarf an verschiedenen Mineralstoffen, aber natürlich auch verstrickte emotional-soziale Hintergründe für unser Essverhalten (Stunkard 1975; De Castro 1997). Ich möchte mich jedoch nur auf die drei genannten beschränken, da ich sie für die physiologisch entscheidenden halte:

Hormone

Vorweg: Das Hormonmileu des Körpers während einer kalorienreduzierten Diät in einem vergleichbaren Zustand zu einer ausgewogenen Kalorienzufuhr zu halten ist nicht möglich. Die positive Nachricht dabei ist jedoch, dass wegen der zugrunde liegenden endokrinologischen Wechselwirkungen überhaupt erst eine Körpergewichtsreduktion möglich wird. Das bedeutet die körpereigene Hormonregulation in der Diät spielt eine entscheidende Rolle, durch niedrigere Spiegel an verschiedenen anabolen ("gewebeaufbauenden") und höheren Spiegeln an katabolen ("gewebeabbauenden") Botenstoffen wird der Körper angeregt verfügbare Reserven zu verbrauchen. Neben der Wirkung auf die Diät im allgemeinen bezogen, wird auch ihre Wechselwirkung auf den Appetit aktuell angeregt diskutiert. Die Manipulation von Hormonen wie Leptin, dessen Spiegel direkt den "Hunger" beeinflussen soll, steht hierbei im Vordergrund. Bisher hat man jedoch nicht feststellen können, inwieweit man eine Synthese dieser Stoffe im Körper trotz einer Diät fördern kann. Populär sind sogenannte "Ladetage" oder zu englisch "Refeeds" geworden, die durch eine kurzzeitig hyperkalorische Energiezufuhr, welche mit einer möglichst starken Insulin-Reaktion im Körper (dieser regt die Leptin-Ausschüttung an) einhergehen soll, das Hormon-Milieu wieder in einen nicht diätischen Zustand versetzen soll. Ziel davon ist, die hormonelle "Schläfrigkeit" des Körpers im Laufe einer Diät aufzuhalten. Ein sinkender Leptin Spiegel wird kurz gesagt nämlich nicht nur mit steigendem Appetit, sondern auch abnehmender Stoffwechselgeschwindigkeit des Metabolismus in Verbindung gebracht. Es ist jedoch anzunehmen und sehr wahrscheinlich, dass das Leptin auch nur solange erhöht bleibt, wie ich auflade. Das heißt: Höre ich wieder auf mehr zu essen, sinkt auch der Leptin-Spiegel erneugt abrupt ab. Damit kann man den physiologischen Nutzen von Ladetagen durchaus in Frage stellen (der psychologische Aspekt außen vor). Der Spruch "If you want to diet - expect to be hungry!" kriegt von der Warte der Hormone also leider ein Häkchen dahinter gesetzt. Aber wartet ab, das war noch nicht alles!

Da wir nun wissen, dass ich meine Hormone in der Diät nur sehr bedingt beeinflussen kann und will - was bleibt?

Richtig, zwei von drei Faktoren sind schließlich noch übrig und die gute Nachricht ist: Beide kann man sehr leicht beeinflussen und sich damit die Diät enorm "erleichtern"!

Blutzuckerspiegel

Zuerst zum Blutzuckerspiegel: Er gibt an, wieviel Glucose sich aktuell im Blut befindet und hat damit Einfluss auf eine Kaskade von Hormonreaktionen. Und damit ist nicht nur Insulin gemeint, insbesondere weil seit einiger Zeit inzwischen bekannt ist, dass eine Insulinausschüttung auch in Abwesenheit von Glukose stattfindet (Holt et al., 1997). Tatsache bleibt, unabhängig davon das das exakte Zusammenspiel der verschiedenen Botenstoffe noch nicht vollständig geklärt ist, dass diese Signalpfade im Körper offensichtlich Einfluss auf unseren Hunger nehmen und, dass ein Abfall des Blutzuckerspiegels scheinbar mit zunehmendem Appetit in Verbindung gebracht werden kann (Melanson et al., 1999). Offenbar ist für den akuten Appetit also weniger der Spiegel an sich verantwortlich, als dessen Tendenz. Um ein realitätsnahes Beispiel zu nennen: Hat sich das Blutzuckerniveau einmal eingependelt, sei es konstant niedrig weil ich nicht gegessen habe oder konstant hoch weil ich sehr regelmäßig Nahrung zuführe, klagt man eher nicht über Hunger. Im Falle des konstant niedrigen Spiegels, hat vermutlich jeder schon einmal das Gefühl kennengelernt das Essen "vergessen" zu haben, weil man unter ständiger Beschäftigung stand. Andererseits kennt auch jeder die "Heißhungerattacken" nach einer hochglykämischen Mahlzeit wie Süßigkeiten, bei der man während der Blutzuckerspiegel nach seinem steilen Anstieg auch rapide gen Normalniveau fällt, wieder Hunger bekommt obwohl der Körper doch eigentlich mit ausreichend Nährstoffen versorgt sein müsste. Wir nehmen also weniger wirklich zielgenau das aktuelle Niveau des Spiegels wahr, als dessen Schwankungen bzw. Abfall.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten diese Schwankungen zu vermeiden:

-Entweder ich verzichte weitesgehend auf Kohlenhydrate und habe unabhängig davon wann und wieviel ich esse einen relativ ausgeglichen niedrigen Blutzuckerspiegel (was sich aus verschiedenen Gründen nicht wirklich anbietet).
-Oder ich meide unnötig starke Anstiege und damit verbundene "Abstürze" zurück auf das Normalniveau (tatsächliche "Unterzuckerung" tritt bei gesunden Menschen kaum auf), indem ich auf Lebensmittel zurückgreife die einen moderaten oder leichten Anstieg des Blutzuckerspiegels verursachen. Dies kann logischerweise auf der einen Seite durch Lebensmittel erfolgen die wenig Kohlenhydrate enthalten, auf der anderen Seite jedoch auch durch Lebensmittel die durch ihren hohen Ballaststoffgehalt und eine größere Komplexität der enthaltenen Kohlenhydrate langsamer verdaut werden und dadurch den Blutzuckerspiegel ebenfalls nur leicht in Bewegung bringen. Desweiteren empfiehlt sich hier eine regelmäßige Mahlzeitenfrequenz (die obligatorischen sechs sind ein guter Richtwert), um unnötigen Tiefpunkten des Spiegels vorzubeugen. Ein Mittel um sich einen Überblick über die Blutzuckerwirksamkeit von Lebensmitteln zu beschaffen, bietet übrigens der "Glykämische Index". Allerdings gibt dieser jedoch über die Zusammensetzung der Lebensmittel und die Gründe dafür, weshalb ein Lebensmittel nun einen niedrigen beziehungsweise hohen "GI" hat keine Auskunft. Im Einzelfall genügt die Liste alleine deshalb in der Praxis leider nicht und man muss sich über die enthaltenen Bestandteile des Lebensmittels selbst informieren.

Der Blutzuckerspiegel ist aber wie erwähnt nicht der einzig übriggebliebene Faktor den wir leicht manipulieren können!

Völlegefühl

Das Völlegefühl ist mindestens genauso gewichtig und wahrscheinlich sogar noch entscheidender, wenn wir uns die Frage stellen, ob wir noch etwas essen möchten oder können. Ist der Magen bis zum "platzen" gefüllt, denken wir normalerweise nicht mehr daran weiter zu essen und lehnen uns entspannt zurück. Das Spannungsgefühl in der Magen- und in der Folge auch der Darmgegend, signalisiert uns offenbar die Nahrungsaufnahme zu beenden. Dieser Aspekt ist jener der am einfachsten in einer Diät eingehalten werden kann: Wie wir wissen ist die Kalorienzahl darüber ob ich zu oder abnehme entscheidend. Möchte ich nun, zugunsten meines Völlegefühls, trotzdem noch möglichst viel Nahrung zu mir nehmen, muss ich auf Lebensmittel mit einer "geringen Kaloriendichte" zurückgreifen. Das heißt, dass solche Lebensmittel auf 100gr bemessen eine möglichst geringe Zahl an Kcal enthalten sollten. Sehr geeignet sind dadurch in allererster Linie Gemüse, Obst, magere Milchprodukte, mageres Fleisch, Ei und einige mehr. Um zu verdeutlichen was ich meine:

Eine gewöhnliche Tafel Rittersport Nugat (100gr) enthält genauso viel Energie (544 Kcal) wie etwa 1,4Kg Paprika. Das entspricht ungefähr 12 größeren Schoten. Ich denke die Frage, was ein stärkeres Völlgefühl verursachen würde erübrigt sich schon allein physikalisch. Aber vergleicht man auch einen gewöhnlichen Beutel Reis (ein ungekochter Beutel enthält 125gr und etwa 440 Kcal) mit Erdbeeren, so könnte man statt des Reises auch zwei einhalb komplette Schalen (üblicherweise 500gr) von den süßen Früchten zu sich nehmen.

Angesichts dieser Tatsachen lohnt es sich also definitiv, auf die Kaloriendichte von Lebensmitteln zu achten und möglichst viele der Kalorien die einem in der Diät bleiben, durch altbewährtes Gemüse und Obst zu nutzen (Duncan 1983). Nebenbei hat die Mehrheit der Lebensmittel aus dem Bereich "geringe Kaloriendichte" außerdem einen logischerweise meistens sehr geringen Glykämischen Index und sind bis zum Rand vollgestopft mit lebensnotwendigen Vitaminen und Mineralien. Hinzu kommt der Aspekt, dass man längere Zeit für das Essen benötigt und die zum Teil zeitversetzten, inneren Vorgänge des Körpers die einem Sättigung signalisieren dadurch früher nach der Mahlzeit einsetzen.

Fazit

Insgesamt kann man in einer Diät durch die Beachtung solcher Aspekte wie der Blutzuckerwirksamkeit, Mahlzeitenfrequenz und Kaloriendichte der Lebensmittel einen erheblichen Beitrag dazu leisten, das Hungergefühl effektiv zu lindern und sich zu rüsten, um der unangenehmen und unvermeidlichen Hormonreaktion etwas gelassener entgegentreten zu können.


Quellen:

1. A Stunkard (1975). Satiety is a conditioned reflex. Psychosomatic Medicine, Vol 37, No 5, 383-387, 1975.

2. JM De Castro (1997). Socio-cultural determinants of meal size and frequency. British Journal of Nutrition, 77: S39-S55, 1997.

3. SH Holt, JC Miller, P Petocz (1997). An Insulin index of foods: The insulin demand generated by 1000-kJ portions of common foods. American Journal of Clinical Nutrition, Vol 66, 1264-1276, 1997.

4. K Melanson, M Westerterp-Plantenga, W Saris (1998). Blood glucose patterns and appetite in time-blinded humans: carbohydrates vs fat. American Journal of Physiology, Vol 277 No 2, R337-R344, 1999.

5. KH Dunkan, JA Bacon, RL Weinsier (1983). The effects of high and low energy density diets on satiety, energy intake, and eating time of obese and non obese subjects. American Journal of Clinical Nutrition, Vol 37, No 5, 763-767, 1983.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen