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Samstag, 21. Mai 2011

Die Notwendigkeit von Progression

Anbei zu Beginn zunächst mein erster veröffentlichter Artikel vom 10.03.2010:

Über die Notwendigkeit von Progression

"Wie muss ich trainieren, um möglichst effektiv Muskelmasse aufzubauen?" Das ist die Gretchenfrage in diesem Sport, jeder Bodybuilder hat sie sich schon gestellt und sucht nach einer Antwort. Betrachtet man die Vergangenheit dieser Frage scheint alles sehr umstritten und kompliziert zu sein. Viele Leute beanspruchen das ideale "System" für sich und ständig sprießen neue Ideen aus dem Boden, die das Bodybuilding revolutionieren sollen. Sollte es am Ende also keine pauschale Antwort geben? Doch, die gibt es und sie ist obendrein sogar völlig "System" unabhängig. Sie heißt "Progression" und die folgenden Abschnitte sollen sich damit beschäftigen weshalb Progression so unverzichtbar ist und wie man sie erreichen kann.

Principle of Progressive Overload: Fortschritt im Training für Fortschritt im Aussehen

Schon 1948 haben amerikanische Wissenschaftler empirisch festgestellt, dass es notwendig ist, den Körper zu "überlasten" um dauerhaft die Anpassungserscheinung Muskelwachstum hervorzurufen(1). Es ist demnach nötig in jeder Trainingseinheit entweder das Gewicht zu erhöhen, die Gesamtwiederholungszahlen (bei gleichem Gewicht) zu erhöhen oder die Pausenzeiten zwischen den Sätzen beziehungsweise den Abstand zur nächsten Trainingseinheit zu verkürzen. Diese progressiven Veränderungen der Parameter nennt man "Overload" und jeder Bodybuilder muss nach diesen Prinzipien trainieren, wenn er nach mehr Muskelmasse strebt.

Warum die Steigerung des Trainingsgewichts der entscheidende Faktor ist: Repeated Bout Effect

Das das hauptsächliche Ziel eines Bodybuilders während seines Trainings sein muss, das Muskelgewebe strukturell zu verletzen, hat sich inzwischen rumgesprochen. Sprich durch Traumatisierung der kontraktilen Elemente den Körper dazu zu bringen mit dem Aufbau von mehr Gewebe zu reagieren wodurch er versucht sich vor neuen Mikrorissen zu schützen. Inzwischen weiß man aus diversen Studien auch, dass die Menge an Mikrotraumata, die man erzeugen kann, von Training zu Training stark abnimmt sofern der gleiche Widerstand verwendet wird(2),(3). Daraus lässt sich zweifellos ableiten, dass die Steigerung des Gewichts der entscheidende Faktor beim Ziel mehr Muskelmasse aufzubauen ist.
Dieses Wissen um die Wichtigkeit der Gewichtssteigerungen allein bedeutet dennoch nicht, dass die anderen Parameter völlig außer Acht zu lassen sind, um einen Overload zu erzeugen. Das eine gewisse Anzahl an Wiederholungen mit dem Gewicht absolviert werden müssen und die Pausen sich nicht endlos in die Länge ziehen dürfen, sollte klar sein, wenn man bedenkt, dass mehr mechanische Arbeit pro Zeit ebenfalls eine Progression darstellt und Hypertrophie induzierend wirkt. Die anderen Parameter müssen also so gut wie möglich beibehalten oder verbessert werden, auch wenn die Erhöhung des Arbeitsgewichtes klar im Fokus stehen sollte.

Ein kleiner Blick in die Vergangenheit: Athlenten aus der Vorsteroidära

Werfen wir nun kurz einen kleinen Blick in die Vergangenheit des Bodybuildings. In die Zeit vor 1958, als wirksames Doping in Form von Steroiden seinen Vormarsch begann. Schaut man sich die Szene damals an, wird man feststellen, dass die größten des Sports damals alle etwas gemeinsam hatten: Sie waren brutal stark! Hier ein paar Kraftleistungen vom damals 23jährigen Reg Park (Mr Universe '51,'58,'65) aus einer Trainingseinheit 1951: Kniebeuge 10 Wiederholungen mit 181,5Kg, Bankdrücken 10 Wiederholungen mit 160Kg, French Press im Liegen mit 77,5Kg. Kennt man diese Zahlen und weiß um die Notwendigkeit von Progression des Gewichtes als zentrales Ziel im naturalen Bodybuilding wundert man sich nicht über die einmalige Physis von Park. Wer kann von sich behaupten diese Gewichte zu bewegen und ist dennoch ein schmaler Hänfling?

Warum der Stärkste trotzdem nicht automatisch der Muskulöseste ist – Individuelle Unterschiede in der Veranlagung

Nun möge man sich wundern, weshalb der Bodybuilder mit der meisten Muskelmasse nicht auch immer die besten Kraftwerte hat. Hintergrund sind die unterschiedlichen Faktoren, die für Kraft verantwortlich sind und unterschiedliche Veranlagung von Athleten. Es ist zwar so, dass insbesondere für cleane Sportler vor allem mehr Kraft notwendig ist, um an Muskelmasse hinzuzugewinnen, umgekehrt ist es aber nicht allein die Muskelmasse die alles entscheidend für die Erzeugung von Kraft ist. Vor allem die intra- und intermuskuläre Koordination, Hebelverhältnisse, die Sehnenlänge, die Muskelfasertyp-Verteilung und die Menge an Muskelfasern spielen hierbei eine große Rolle(4). Weil sich diese Dispositionen von Individuum zu Individuum unbeeinflussbar unterscheiden, ist die Muskelmasse bei Bodybuildern nicht direkt proportional zur Kraft.
Von Dingen wie Symmetrie und Proportionen, die im Bodybuilding natürlich auch mitentscheidend sind und ebenfalls durch Veranlagung beeinflusst sind mal ganz abgesehen. Die eigenen Fortschritte, die persönlichen Rekorde sind also das Einzige was zählt, da es das Einzige ist, was tatsächlich beeinflussen kann und dem sollte man deswegen all seine Aufmerksamkeit schenken.

Die Krux an der Sache: Grenzen in der Belastbarkeit des Bewegungsapparats oder auch - Ein Aufruf zur Vernunft!

Die Belastungen denen wir unseren Körper aussetzen, sind enorm, wenn man ständig die Gewichte steigert. Das gilt insbesondere bei großen Kraftsprüngen wie beispielsweise durch den Memory Effekt nach längerer Trainingspause oder für Trainingsanfänger, die zu Beginn schnelle Fortschritte machen. Deshalb ist es logischerweise wichtig auf perfekte Ausführung zu achten und die Zeichen, die uns der Körper gibt, richtig zu deuten. Denn auch ohne schlechte Technik kann der Bewegungsapparat unsere Kraftfortschritte limitieren und diese Limits müssen wir akzeptieren. Selbst kleinere Beschwerden bedürfen einiger Zeit an Aufarbeitung. Das hängt vor allem mit den schlechten regenerativen Eigenschaften von kollagenhaltigen Strukturen wie Sehnen und Bändern zusammen(5). Niemand sollte paranoid nach Schmerzen suchen, aber wenn sich Probleme einschleichen, muss man daran arbeiten.
Präventive Maßnahmen wie kluge Trainingsplanung und ausgewogene Übungsgestaltung können helfen solche Probleme gar nicht erst aufkommen zu lassen, wenn sie aber trotzdem aufkommen und bestehen bleiben, hat man keine andere Wahl, als die Belastung zu reduzieren, beziehungsweise komplett zu pausieren und sich zu rehabilitieren. Wie endlos viele Athleten in den Fitness-Studios dieser Welt haben sich schon aus falschem Ehrgeiz chronische Schäden eingehandelt? Daraus schließen wir, dass die Progression nicht auf Kosten der Gesundheit gehen darf und man im Zweifelsfall dem Bewegungsapparat Zeit geben muss um sich anzupassen.
Warum erzähle ich das? Weil man auch das Thema Progression wie jedes andere differenziert betrachten sollte. Einerseits um gesund zu bleiben und andererseits um kontinuierlich und nicht nur kurzfristig progressiv trainieren zu können.

Mittel und Wege um kontinuierlichen Fortschritt zu gewährleisten – 6 Punkte zum optimieren von jedem Trainingskonzept

Trainingsplan und Zyklusgestaltung

Nehmt nicht zu viele Übungen in euren Plan und trainiert diese Übungen nicht zu selten. Der Körper passt sich sehr spezifisch an und ein Transfer von einer zur nächsten Übung ist nur bedingt möglich(6) (weshalb das auch sein Gutes hat für uns Bodybuilder erläutere ich gleich noch). Fokussiert euch deshalb vor allem auf einige wenige Grundübungen, durch die Beteiligung mehrerer Muskelgruppen und dem größeren Widerstand steigt die Wahrscheinlichkeit von kontinuierlicher Gewichtsprogression. Führt diese mehrmals wöchentlich aus, werdet stärker und steigert weiter bis ihr für mehrere Einheiten hintereinander vorrübergehend stagniert seid.

Übungsrotation

Wie erwähnt, passt sich der Körper sehr spezifisch an Belastungsmuster an. Das bedeutet, dass der Einsatz einer neuen Übung eine völlig neue Anpassung vom Körper erfordert und das zunächst auch relativ unabhängig vom eingesetzten Widerstand(7). Mit anderen Worten kann man dem Stillstand des Wachstums durch Stagnation in einer Übung gut entgegen wirken, in dem man schlicht und ergreifend die Übungen für die Muskelgruppen austauscht. Man beginnt daraufhin wieder mit relativ niedriger Intensität einen neuen Zyklus und wird aufgrund des neuen Bewegungsmusters trotzdem die gewünschte Wirkung erzielen. Im Anschluss steigert man sich wieder in dieser Übung, bis keine weitere Steigerung möglich ist.
Beachte: Um auch den Bonus der neuronalen Anpassung an eine Übung und die daraus resultierende größere Kraft zu nutzen, ist es notwendig die Übungen nicht zu häufig zu wechseln. Bleibt eine Zeit bei einer Übung, kitzelt alles heraus, probiert nochmal etwas mehr rauszukitzeln und wechselt erst dann. Wenn man die Übungsrotation geschickt einsetzt, ist sie eine der mächtigsten Waffen im Kampf um Trainingsfortschritt.

Periodisierung

Wechselt die Wiederholungsbereiche und trainiert vor allem auch eine Zeit lang etwas schwerer im Bereich von 4-6 Wiederholungen um verstärkt von dem neuronalen Output zu profitieren der euch mehr Gewicht und Kraftsteigerungen erlaubt. Außerdem ist es auch möglich innerhalb einer Trainingswoche die Intensitäten alternieren zu lassen, um in unterschiedlichen Wiederholungsbereichen gleichzeitig Fortschritte zu machen. Es ist bekannt das sich das auch gegenseitig unterstützen kann(8).

Negative Wiederholungen

Reine exzentrische Arbeit ist eine sehr effektive Möglichkeit um einen Trainingszyklus in die Länge zu zögern und Mikrotraumata zu erzeugen wenn konzentrische Kraftsteigerungen nicht mehr möglich sind(9). Achtet hierbei jedoch besonders auf die Anzeichen eures Körpers, da gerade fortgeschrittene Sportler durch Negative gegebenenfalls mehr Kraft mit der Muskulatur erzeugen können, als etwa die Sehnen aushalten können(10).

Dekonditionierung

Als letztes Mittel, um Progression zu erzeugen, bleibt auch die Möglichkeit die Muskulatur zu entwöhnen. Das erfordert einen Zeitraum von mindestens 10-14 Tagen kompletter Trainingspause um die Muskulatur wieder für geringere Intensitäten angreifbar zu machen. Es empfiehlt sich dazu zu greifen, wenn man kleinere Reizungen oder etwa eine Krankheit ausheilen lassen muss. Der Körper regeneriert sich und gleichzeitig kann man danach auch mit weniger Gewicht wieder kurzzeitig für Mikrorisse im Muskelgewebe sorgen(11).

Ernährung

Findet durch "trial and error" die Menge an Kalorien heraus, die ihr benötigt, um das Gewicht zu halten und ergänzt das, um die Menge an Kalorien, die gebraucht werden, um Magermasse aufzubauen. Mehr als höchstens 500kcal zusätzlich sind dabei für cleane Athleten nicht nötig, wenn diese nicht überflüssig fett werden möchten. Es empfiehlt sich dabei mindestens 2gr Eiweiß pro Kg Körpergewicht zu sich zu nehmen(12). Günstig ist es außerdem die zusätzlichen Kalorien rund um das Training in Form von Protein und Glukose(13), ergänzt durch Creatin(14) zu sich zu nehmen, um zu gewährleisten, dass der Körper die Energie für den Muskelaufbau zur Verfügung hat. Ich verrate außerdem kein Geheimnis, wenn ich erzähle das Anfänger und Athleten mit höherem Körperfettanteil noch nicht einmal einen Kalorienüberschuss benötigen um Fortschritte zu machen(15).

Referenzen

  • 1.DeLorme & Watkins, 1948 – Techniques of progressive resistance exercise
  • 2.Chen, 2006 - Variability in Muscle Damage after Eccentric Exercise and the Repeated Bout Effect
  • 3.McHugh, Connolly, Eston & Gleim, 1999 - Exercise-induced muscle damage and potential mechanisms for the repeated bout effect
  • 4.Sale, 1988 – Neural adaption to resistance training
  • 5. Kjær, 2004 - Conversion of mechanical loading into functional adaptation of tendon and skeletal muscle: a role for extracellular matrix.
  • 6.Komi, 1992 - Strength and Power in Sport
  • 7.Shin'Ya & Kazumi, 1999 - Exercise induced muscle damage and delayed onset muscle soreness(DOMS)
  • 8.Baker, Wilson & Carlyon, 1994 – Periodization: The effect on strength of manipulating volume and intensity
  • 9.Connolly, Sayers & McHugh, 2003 - Treatment and prevention of delayed onset muscle soreness
  • 10.Kjaer, 2004 – Role of Extracellular Matrix in Adaptation of Tendon and Skeletal Muscle to Mechanical Loading
  • 11.Evans et al, 1998 - Submaximal Delayed-Onset Muscle Soreness: Correlations between MR Imaging Findings and Clinical Measures
  • 12.Butterfield, 1987 - Whole-body protein utilization in humans
  • 13. Tang et al, 2007 - Minimal whey protein with carbohydrate stimulates muscle protein synthesis following resistance exercise in trained young men
  • 14.Volek et al, 1997 - Creatine Supplementation Enhances Muscular Performance During High-Intensity Resistance Exercise
  • 15. Kraemer et al, 1999 - Influence of exercise training on physiological and performance changes with weight loss in men

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